Die "Pinsel-Menschen":
Eine ganz besondere Art im Deutschen Wald

 


erschienen in Heft 4 / 1997 der "Dorflinde", der Vereinszeitschrift des Odenwaldklubs e.V.

Zu einer jeden Wanderung gehört die Markierung, also gehören zu jedem Wanderverein zwangsläufig Menschen, die diese Markierung an die Bäume bringen. Wegen der von ihnen verwendeten Werkzeuge nennt man sie auch "Pinselmänner" - in ihrer weiblichen Form natürlich auch "Pinselfrauen". Im Sammelbegriff also "Pinsel-Menschen".

Bewaffnet mit Körben, so daß manch unbedarfter Beobachter schon gemeint hat, sie würden Pilze suchen, marschieren sie - fast wie die Hunde - von Baum zu Baum. Doch während der Hund unsichtbare Markierungen macht, hinterlassen die Angehörigen der Gattung "Pinselmänner" und "Pinselfrauen" deutliche Spuren in Form von Dreiecken, Kreuzen, Strichen und ähnlichem in vielen bunten Farben.

 

Pinselmann

In ihren Körbchen haben sie das notwendige Werkzeug dafür: Pinsel, Farben und Schablonen, Sägen und Schaber für die Rinde der Bäume. "Pinsel-Menschen" sind außer am Körbchen oft daran zu erkennen, daß ihre Bekleidung farbliche Ähnlichkeiten mit den von ihnen hinterlassenen Spuren aufweist. Auch bei uns im Odenwaldklub gibt es diese Gattung Mensch, denn wie alle anderen Vereine haben auch wir solche Leute, die als "gute Geister" durch die Wälder streifen und dafür sorgen, daß die gar nicht so geheimen Zeichen von Bäumen, Steinen oder Laternen leuchten.

Auf gut Neudeutsch würde man bei ihren Hinterlassenschaften vielleicht von "Baum-Graffiti" sprechen, doch hat das ganze ein System, und dies schon eine lange Zeit. Denn bei uns im Odenwaldklub hat schon vor beinahe 110 Jahren ein "Leittier" der "Pinsel-Menschen" ein kluges System erdacht. Die hellen Spuren - also weiß und gelb - führen uns von West nach Ost quer durch den Odenwald, während die dunklen - also roten und blauen Spuren der "Pinsel-Menschen" von Nord nach Süd durch unseren Raum führen.

Etwa 200 dieser freundlichen Wesen gibt es im Odenwald und seinen Randrevieren. Unter dem Namen "Arbeitskreis Wegebezeichnung" sorgen sie in ständigem Einsatz dafür, daß das Verfolgen ihrer Spuren für alle ein Vergnügen bleibt.

Wegemarkierer bei der Arbeit

"Pinsel-Menschen" haben typische Verhaltensformen und auch ihr Tagesablauf ist meist recht ähnlich. In der Regel ab dem Frühjahr schwärmen sie aus. Am frühen Morgen richten sie im heimischen "Bau" ihr Körbchen mit den bekannten Utensilien und begeben sich in Ihr Revier. Häufig trifft man sie im Wald. Aber auch in Städten und Dörfern hat man sie schon gesehen. Ihr natürlicher Feind sind Äste oder ähnliches, die ihre mühsam hinterlassenen Spuren wieder verdecken. Denn für eine Spur von einem Kilometer braucht ein "Pinsel-Mensch" gut eine Stunde. Aber auch Regen und Wind nagen an diesen Spuren. Deshalb benutzen die "Pinsel-Menschen" ihr Werkzeug, das sind Sägen und Borkenkratzer, aber auch Drahtbürsten. So werden die Spuren haltbarer und machen den Benutzern länger Freude. Manche der "Pinsel-Menschen" sind bis zum Einbruch der Dunkelheit draußen in ihren Revieren und am Schluß ihres Tages steht meist wieder das Reinigen ihres Werkzeuges im heimischen "Bau".

Zwei der Pinselmenschen haben sich bei uns darauf spezialisiert, die Spuren ihrer Artgenossen auf Plänen festzuhalten, die sie allen Interessierten zur Verfügung stellen, die wissen möchten welche Spur wohin führt. Im Fachbegriff nennt man diese Pläne übrigens Wanderkarten.

In einigen wenigen Revieren unserer Landschaft sind die Spuren nicht immer so deutlich, wie wir das eigentlich gerne hätten, in diesen Gebieten sind die "Pinsel-Menschen" schon selten geworden.

Wollen wir also hoffen, daß diese freundlichen Wesen nie auf die Rote Liste bedrohter Arten kommen und auch in Zukunft weiter dafür sorgen, daß eine Wanderung ein Vergnügen bleibt.

Sie ahnen sicher schon, über wen hier geschrieben wurde. Es sind natürlich unsere Wegewarte, die alljährlich wie die Heinzelmännchen dafür sorgen, daß die Wegmarkierung unsere Ausflüge sicher macht und uns hoffentlich immer ans Ziel bringt.

"Pinsel-Mensch" kann übrigens jeder werden, der daran Spaß hat, in Wald und Flur unterwegs zu sein und dabei deutliche Spuren zu hinterlassen. Man muß sich nur bei seiner nächsten Ortsgruppe melden.

Carsten Wasow

Carsten Wasow und Eugen Schäfer beim Schildmontieren


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